Retusche bei deinen Bildern
& welche Verantwortung wir als Fotograf:innen tragen
Hey du wundervolle Seele!
Wie oft hast du ein Bild von dir selbst angeschaut und gedacht: „Das würde ich gern ändern“? Vielleicht eine kleine Falte, eine Narbe, die Haut, die nicht „glatt genug“ ist. Es fühlt sich so selbstverständlich an, diese ganz natürlichen Dinge zu hinterfragen und es ist so einfach geworden wie noch nie sie innerhalb von Minuten zu ändern: Beauty Filter, Apps, KI und Photoshop-Retusche machen es so einfach. Doch die Wahrheit ist: Du schuldest niemandem, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen.
Und ich sage gar nicht, dass es nicht „einfacher“ ist, norm-schön zu sein. „Pretty privilege“ ist ein Privileg, das mehrfach in Studien bewiesen wurde und jede:r hat bereits die ein oder andere Erfahrung damit gemacht. Aber Hand aufs Herz – wie interessant wäre die Welt noch, wenn wir alle gleich aussehen würden?
In der Fotografie wird Retusche oft genutzt, um ein Ideal zu formen, das in der Realität gar nicht existiert. Meistens nutzen Firmen die Retusche, um ein Produkt besser zu verkaufen (wir sind so geprägt worden, dass „Schönheit“ gleichzusetzen ist mit Vertrauen, Erfolg, Beliebtheit, Zugehörigkeit – etwas, das wir bewusst oder unbewusst anstreben, um dazu zu gehören).
Du würdest ein Fitness-Abo vermutlich eher bei einem Fitnessstudio abschließen, dass Menschen mit überdurchschnittlich stark trainierten Körpern zeigt, anstatt bei einem, das durchschnittliche oder dickere Menschen als Modelle nutzt (fat-shaming ist in uns allen sehr internalisiert und schwer abzulegen), OBWOHL du weißt, dass durchschnittliche und dicke Menschen auch Sport machen. Du würdest Make-up eher bei einer Firma kaufen, bei denen die Modelle im Gesicht komplett glatt gebügelt wurden, anstatt bei einer Firma, die ECHTE Menschen zeigt (weil die Firma uns glauben lassen möchte, dass alleine IHR Produkt diese Wirkung erzielt – nicht etwa Photoshop).
Und du würdest eher Geld für Cremes, Behandlungen, etc. ausgeben, wenn du dich für deinen ganz normalen, menschlichen Körper schämst, weil du in den Medien nur vermeintlich „perfekte“, „schöne“ Körper zu sehen bekommst und dir so signalisiert wird, dass du nicht dazu gehörst und solange du nicht wie die Person aus der Werbung aussiehst keine Liebe verdient hast und alleine sterben wirst (ich übertreibe ein bisschen, aber grundsätzlich ist es genau das, was unterbewusst in dir ausgelöst wird).
Als Fotografin sehe ich meine Verantwortung darin, das Schönheitsideal nicht einfach durch meine Arbeit aufrecht zu erhalten, sondern dir zu zeigen, dass es genau diese Ideale gar nicht braucht.
Wenn ich Bilder bearbeite, ist mein Ziel nicht, dich zu verändern. Durch die Retusche entferne ich Ablenkungen, die temporär sind – einen Pickel, der in einer Woche wieder verschwunden ist, einen blauen Fleck oder Ähnliches. Auch die Socken, die wir vielleicht beim Ausziehen nicht weit genug aus dem Bild geschoben haben kommen in der Nachbearbeitung weg. Aber das, was dauerhaft zu dir gehört, bleibt.
Denn ich glaube nicht an ein einzelnes Schönheitsideal, und ich glaube auch nicht, dass wir ständig versuchen müssen, unsere Körper zu optimieren. Du bist nicht auf der Welt, um in eine Norm zu passen und deine Zeit damit zu verschwenden, ständig wechselnden Trends hinterher zu jagen. Du bist hier, um zu leben, zu fühlen, zu sein. Und dein Körper ist dafür da, damit du genau das tun kannst und erzählt deine Geschichte auf seine ganz eigene Weise.
Meine Shootings sollen dir helfen, das zu erkennen. Es geht nicht darum, dich „schön“ zu fühlen – es geht darum, dich anzunehmen, so wie du bist. Ohne dass du dich ändern oder anpassen musst. Du bist genug. Immer. Zu jedem Zeitpunkt in deinem Leben. Auch genau jetzt, wo du in Shrimp-Haltung vor deinem Bildschirm kauerst und diesen Text liest (erwischt!). Und das darfst du dir ruhig öfter sagen. Und vor allem darfst du genau das sehen lernen bei deinem eigenen Fotoshooting.
Deine Annika