Available Light in der Boudoirfotografie
– Mit Licht malen

Kennst du das? Du hast eine tolle Zusammenarbeit mit einem Model (oder einem Kunden / einer Kundin) auf die Beine gestellt, hast die Location vorher bewundert, einen gemeinsamen Termin ausgemacht, deine Kameratasche gepackt und bist voller Vorfreude ins Fotostudio gefahren. Die Kleiderauswahl des Models ist großartig und sie oder er hat eine tolle Ausstrahlung und ein abwechslungsreiches Repertoire an Posen und Ausdrücken. Das Shooting kann quasi nicht besser starten. 
Aber schon nach den ersten Minuten des Fotoshootings merkst du, dass du nicht so richtig rein kommst. Die Bilder sind okay, aber sie hauen dich nicht vom Hocker. Das Model macht einen großartigen Job, die Location ist klasse, aber dennoch…Irgendetwas fehlt.

Was fehlt also?

Wie du bestimmt schon gemerkt hast, richtet sich mein heutiger Blogbeitrag ausnahmsweise einmal eher an die Fotograf*innen unter euch – ich werde dir heute drei einfache Wege zeigen, Available light in der Boudoirfotografie (aber auch übertragbar auf jede andere Art der Portraitfotografie) einzusetzen.
Vorab schon einmal: Wenn du jetzt denkst, das Thema ist noch viel zu groß für dich da, wo du gerade mit deiner Fotografie stehst, lass dir gesagt sein: Wenn du das Licht beherrschst, wird das ein Gamechanger für deine Kunstwerke werden! Believe me – I’ve been there!
In der Anfangszeit meiner Fotografie hatte ich diese zu Anfang beschriebene Situation leider viel zu oft. Ich habe ehrlich gesagt VIEL zu lange gebraucht, um dieses kleine „bisschen“ zu finden, das bei meinen Bildern jetzt im Gegensatz zu meinen Fotografien früher den Unterschied macht. Die einfache Antwort darauf ist: Licht.
Licht ist eins der fundamentalsten Gestaltungselemente in der Fotografie. 
Licht kann die Stimmung in einem Bild komplett verändern.
Licht ist ALLES 😀
Und trotzdem ist es weniger magisch und viel einfacher zu bändigen als du denkst, trust me.
Damit du bei deinem nächsten Fotoshooting bessere Ergebnisse erzielen kannst, zeige ich dir heute drei Möglichkeiten, Available light (also vorhandenes Licht) einzusetzen.

Bevor du loslegst:

Um den Umgang mit available light, Studio- und Blitzlicht zu lernen ist es am einfachsten, erst einmal mit einer einzelnen Lichtquelle zu arbeiten. Um ehrlich zu sein, habe ich mich so in diese Art der Fotografie verliebt, dass ich auch selten darüber hinaus gegangen bin, mehr als eine Lichtquelle zu verwenden. In meinem Studio bedeutet das für mich: Ich schalte alle Lampen aus und schließe die Vorhänge vor allen Fenstern bis auf eins. 
Mit dieser einzelnen Lichtquelle (in meinem Fall ist das meistens available light) kann man schon wahnsinnig viel Zaubern. Hier drei einfache Beispiele:

Frontales Licht

Frontales Licht erreichst du, in dem du mit dem Rücken zu deiner Lichtquelle stehst (möglichst ohne sie zu verdecken – hehe) und dein Model sich wiederum vor dir befindet. Ich benutze diese Art von Licht häufig bei meinen Portraits, weil das Gesicht meiner Kund*innen dadurch in den Fokus rückt. Die Vorteile von frontalem Licht sind, dass die Haut weicher und ebenmäßiger erscheint, als bei seitlichem Licht. Gleichzeitig kann man bei frontalem Licht aber auch wenig verstecken, es entstehen weniger Schatten. Wenn dir frontales Licht und ein ruhiges Portrait zu langweilig sind, kannst du bei deinen langhaarigen Models auch gut mit Wind in den Haaren spielen. Das bringt Bewegung ins Bild und gestaltet deine Aufnahme spannender. Meine Lieblingsanweisung ist: „Schließ einfach einmal die Augen und schüttel den Kopf, so dass deine Haare fliegen“ – das fühlt sich super bescheuert an, aber dadurch zauberst du gleichzeitig ein ehrliches Lachen auf die Lippen deiner Models. Bei kurzen Haaren können auch der kreative Einsatz von Armen oder Händen Abhilfe schaffen.
 

 

 

Gegenlicht

Im Gegensatz zum frontalen Licht tauschst du beim Gegenlicht einfach den Platz mit deinem Model. Dein Model steht nun zwischen dir und deiner Lichtquelle. Diese Art von Licht nutze ich häufig für meine Silhouetten-Bilder. Du erzeugst damit eine kontrastreichere Bildstimmung und der größte Teil deines Models liegt im Schatten. Wenn du dich oder dein Model ein kleines bisschen von rechts nach links bewegst, kannst du mit der Intensität des Gegenlichtes variieren und den Fokus auf verschiedene Punkte des Körpers legen. Manchmal reicht es, dein Model zwei Zentimeter in die eine oder die andere Richtung zu drehen, um einen schönen Lichteinfall auf den Schlüssselbeinknochen (ich LIEBE sie!) zu bekommen. Du kannst so verschiedene Features deines Models in den Fokus setzen. Probier einfach mal verschiedene Positionen zum Licht aus. 
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Seitliches Licht

Seitliches Licht ist gerade bei Bildern mit viel Haut mit Vorsicht zu genießen, richtig eingesetzt kann es aber unglaublich geheimnisvoll und aufregend wirken. Du kannst dir dazu einfach ein gleichschenkeliges Dreieck zwischen dir, der Lichtquelle und deinem Model vorstellen. Egal wie das Dreieck aussieht, das Licht wird immer seitlich auf dein Model fallen. Dadurch, dass weniger dunkle Schatten entstehen als beim Gegenlicht, kommt es manchmal vor, dass die Struktur der Haut deines Models besonders auffällig wird und in den Fokus rückt. Du kannst damit spielen und vermeintliche „Makel“ (gesellschaftlich deklariert – wir wissen ja alle, dass das ganz normale Körper sind :-)) wie Cellulite oder Narben schön in Szene setzen. Du solltest allerdings vorher mit deinem Model sprechen, inwiefern das für sie/ihn okay ist. Nicht jede*r ist schon so sehr im Frieden mit sich, dass er/sie so gezeigt werden möchte. Wenn das nicht in Frage kommt, kannst du durch ein anderes Posing solche Dinge aber auch einfach im Schatten „verschwinden“ lassen.
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Available light sehen lernen

 

Licht begleitet uns den ganzen Tag über. Auch wenn du in nächster Zeit erst einmal keine Fotoshootings geplant hast, kannst du lernen, Licht zu sehen. Achte einfach mal im Alltag darauf, wie sich das Tageslicht (available light) von morgens bis Abends verändert. Welche Schatten die Sonne zu welcher Tageszeit wirft und wie sich die Stimmung durch verschiedenes Licht verändert. Auch gute Filme oder die Fotografien deiner Vorbilder kannst du auf das eingesetzte Licht untersuchen und daraus neue Inspiration ziehen. Es ist völlig okay erstmal Dinge zu „kopieren“, um sie zu erlernen und dann mit den neu erlernten Regeln eigene Kunstwerke zu schaffen.

 

Equipment

 

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf mein Equipment eingehen, das ich zum fotografieren benutze. Wer meine Arbeit schon länger verfolgt weiß sicher, dass ich nicht viel von Kamera-Technik verstehe (ich muss wissen, wie sie funktioniert, das reicht mir) und auch nicht immer das neuste Equipment am Start habe. Wichtiger als die teuerste Kamera und das krasseste Objektiv ist deine Geschichte und was du mit deinen Fotografien bewegen möchtest. Ich bin mir sicher, wenn du einmal das Thema „Licht“ gemeistert hast, wirst du das mit egal welcher Kamera hinbekommen. Nichtsdestotrotz möchte ich meinen Kund*innen natürlich qualitativ hochwertige Fotografien bieten, die sich auch auf große Größen drucken lassen. Deswegen arbeite ich seit Jahren mit den Vollformat-Kameras von Canon, derzeit mit der Canon 5D Mk IV. Dadurch, dass ich ausschließlich im Studio arbeite und meine Kund*innen nicht wegrennen (zumindest konnte ich sie bisher immer mit meinen mitgebrachten Süßigkeiten zum Bleiben überreden :-D) arbeite ich ausschließlich mit Festbrennweiten, einem 100 mm für die Portraits, einem 50 mm und einem 35 mm Objektiv für die Halb- und Ganzkörperaufnahmen. So jetzt aber erstmal viel Spaß beim Rum-Probieren und allzeit gut Licht, wie mein alter Berufsschullehrer sagen würde 😀